Samstag, 14. Mai 2016

welcome to iran

Im Dunkeln machten wir uns vom Grenzort Bazargan auf den Weg nach Maku. Es war für uns offenbar dunkler als für die Einheimischen, sonst hätte uns auch das Standlicht gereicht, wie den meisten hier.
Einmal durch die Stadt und halbwegs zurück im dichten Verkehr fanden wir ein Hotel, wo wir auf dem Parkplatz übernachten durften. Es gab auch noch was gutes zu essen, bald danach ging es völlig erledigt ins Bett. Kaum eingeschlafen schreckten wir von lauter Knallerei in der Nähe auf. Aus dem Fenster nichts zu sehen, vielleicht wegen des nahenden Nawruz -Fest (Neujahr), den Rest der Nacht war Ruhe. Am nächsten Tag erfuhren wir beim Frühstück das Fest sei erst nächst Woche, die Reste der Böller lagen unter unserem Auto.
Danach erstmal zur Bank, tags drauf war Freitag und in der folgenden Woche wie gesagt Nawruz, da haben alle Banken zu. Uns hatte man im Hotel empfohlen bei Banken und nicht auf der Strasse zu tauschen, der Kurs sei besser.
Auf der Bank war man nicht ganz so gut informiert. Zuerst wurde ich gefragt woher ich komme, aha dann wolle ich D-Mark wechseln...
Nein, schon länger nicht mehr. Dann Euro, ach ja, der sei aber sehr schwach, besser auf der Strasse, ob ich keine Dollar hätte.
Ich bat den Bankangestellten Euro, Dollar und Rial-Kurse doch nochmal nachzusehen, damit ich auf der Strasse den Kurs wüßte, was zur Folge hatte dass ich mein Geld doch gleich hier gewechselt bekam. Das Bündel Scheine, dass mir aus dem grossen (buchstäblichen)  Haufen auf dem Tisch ausgezahlt wurde mußte ich auf sämtliche Taschen verteilen um es unterzubringen.



Uns war klar, dass hier nicht so viele Mitteleuropäer rumlaufen, scheinbar sind es noch weniger, wir jedenfalls wurden auf dem Weg zu Fuß durch die Stadt angesehen als kämen wir vom Mond. Mit Geld versorgt verließen wir diese gastliche Stadt.
Nächste Station war die Qareh Kelisa, eine sehr alte Kirche mit grosser Bedeutung für die armenischen Christen. Vor Ort ist man sich sicher, dass es sich um die älteste Kirche überhaupt handelt, das älteste der Gebäude stammt aus dem Jahr 68. Dieser mysthische Ort hatte wohl auch wegen der einsamen Umgebung und dem Schneetreiben eine sehr intensive Atmosphäre.



Auf dem Weg zurück zur Hauptroute hatten wir etwas Schwierigkeiten mit der Beschilderung: wegen unserer kaum vorhandenen Farsi-Kentnisse und der kaum vorhandenen Schilder.  Egal, man kann ja nach dem Weg fragen.
Frau nicht, jedenfalls bekommt sie keine Antwort. Der Herr am Strassenrand würdigte Nadine keines Blickes, sondern umrundete großspurig das Auto um so existentielle Fragen wie "geht es da vorne links?"  unter Männern zu klären.
Zurück auf der Hauptverkehrsstrasse wandelte sich diese bald in eine Autobahn; und die war voll. Womöglich noch voller als sonst, wegen Nawruz, das machte aber ehrlich gesagt auch keinen Unterschied. Das eigentliche Problem ist der Fahrstil der Iraner.



Der Iran rangiert was die Zahl der Verkehrstoten pro 100000 Einwohner und Jahr angeht weltweit auf einem traurigen dritten Platz. Um diese Spitzenplatzierung zu halten wird tagtäglich auf der Strasse alles gegeben. Es gibt keine Regeln, Recht hat wer stärker oder schneller oder schlicht skrupelloser ist.  Die Polizei tritt in Garnisonsstärke längs der Strassen an um nichts gegen den kollektiven Wahnsinn zu unternehmen. An vielen Raststätten werden zur Abschreckung Autowracks ausgestellt, deren Insassen diese im günstigsten Fall schwerverletzt verlassen haben: ohne jede Wirkung. Resigniert werden an Tagen mit hohem Verkehrsaufkommen an Kurven und Kreuzungen Rettungswagen aufgestellt, man kommt sich vor wie auf dem Nürburgring. In Tunis, Tanger oder Istanbul geht es dagegen ausgesprochen zivilisiert zu.



An diesem Tag kamen wir bis Marand, wo wir eine Übernachtungsmöglichkeit suchten. Wir kamen mit ein paar Allradlern ins Gespräch, die  sich als "Tour Guides" herausstellten, ein glücklicher Zufall. Man habe hier ein Hostell, kein gehobener Standart, aber dort könnten wir übernachten. Prima, Standard egal entgegeneten wir, wir brauchen eh nur einen Parkplatz und würden die Dusche benutzen wollen. Ja also Dusche gäbe es schon, Parkplatz auch, nur etwas weiter weg. Ok, erstmal hin. Letzlich landeten wir auf einem völlig überfüllten gebührenpflichtigen Parkplatz, der Inhaber trug an einem grossen Ring die Schlüssel aller Fahrzeuge um den begrenzten Platz besser nutzen zu können. Das Hostell sei nur wenige hundert Meter die Strasse runter. Mein Einwand, das würde uns nur begrenzt nützen wurde dezent überhört, wir könnten ja hier auf dem Parkplatz bleiben, siehe da: es gäbe sogar ein Klo. Ich versuche hier nicht den Zustand einer Toilette auf einem öffenlichen Parkplatz im Iran zu beschreiben, der spottet buchstäblich jeder Beschreibung.
Wir blieben am Ende wirklich auf diesem Parkplatz, weil wir zu müde waren nochmal los zu ziehen, weil es schon dunkel wurde und weil wir ohnehin nach gefühlten 35 Sekunden komplett zugeparkt waren.
Früh am nächsten Morgen fanden wir uns überraschend allein auf besagtem Parkplatz wieder und da es ja nicht so gemütlich war machten uns bald auf die Socken.



Einige verkehrsbedingte Nahtoderfahrungen später passierten wir Täbriz und Zanjan, von dort ging es weiter bis Soltaniye, wo es das berühmte Olijeitu Mausoleum zu bestaunen gibt. Bei so einer Sehenswürdigkeit, dachten wir, gibt es vielleicht auch einen grösseren Parkplatz, womöglich sogar sanitäre Anlagen. Zweiteres ja, ersteres nein.
Auf unser verdutztes Nachfragen bekamen wir von den drei (!) Angestellten im Ticket-Häuschen nur ein mürrisches "Go Zanjan, Hotel" zu hören. Zurück zu fahren kam nicht in Betracht, also verliessen wir die Kleinstadt um uns ausserhalb einen Platz zu suchen.
Den fanden wir zwischen ein paar Hügeln, windgeschützt, sogar mit Blick auf die Sehenswürdigkeit, ausser uns keiner da.



Verstreut ein paar Bretterbuden am Rand der Felder... und na klar bei einer regte sich was. Also hin, Hallo sagen, fragen ob es ok ist wenn wir hier bis morgen stehenbleiben. Es  folgte viel Pantomime und wir sollten doch zum Tee kommen. Nur Nadines Anwesenheit schien zu irritieren. Wir versprachen nur schnell das Auto abzuschliessen und dann zu kommen, Nadine entschied sich aber im Auto zu bleiben, so ging ich allein. Kaum drin in der Bude wurde ich mit einem Becher versorgt, die Anwesenden holten ihre hinter dem Rücken vor als klar war dass wir unter Männern waren.  Nur Tee gab es nicht, stattdessen Selbstgebrannten. Auf meine Frage hin ob das nicht verboten sei hiess es doch doch, Peitschenhiebe und so weiter. Allein der Gedanke wärmt besser als Tee.

Das  Olijeitu Mausoleum entpuppte sich am nächsten Tag als wirkliches Highlight. Die Ornamente erinnerten an ähnliche Bauwerke in Marokko oder Andalusien, eine angemessene Restauration schien im Gange zu sein.




 Daneben war es der erste Tag mit klarem Himmel und Temperaturen nennenswert über dem Gefrierpunkt. Nachdem die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz zuletzt so ungewohnt schwierig verlaufen war planten wir heute frühzeitig damit anzufangen. Wir versuchten unser Glück in Qazvin, einer mittelgrossen Stadt, die nächste auf dem Weg nach Osten wäre Teheran gewesen, nicht zuletzt des Verkehrs wegen stand uns danach nicht der Sinn.
Es folgte eine frustrierende Odysse durch die völlig überfüllte Stadt ohne erwähnenswertes Ergebnis.  Die wenigen Optionen bestanden in Hotels mit Preisen auf europäischem Niveau und Zimmern deutlich darunter, was nur zum Duschen nicht in Frage kam. Sonst blieben noch städtische Parkanlagen...  Die immer freundlichen  Leute, die wir um Rat fragten verwickelten uns zwar regelmäßig in lange Gespräche über das woher und wohin, konnten uns aber leider nicht weiterhelfen. Leicht entnervt machten wir uns wieder auf den Weg ausserhalb etwas zu finden.  
Kurz entschlossen wandten wir uns nach Norden um Teheran an der Küste des kaspischen Meers zu umgehen und dort vielleicht etwas milderes Wetter anzutreffen. Der Weg führt durch ein Tal im Elbruzgebirge, vielleicht gäbe es dort auch ein weniger bevölkertes Plätzchen für uns.
Einer der unzähligen Polizisten unterbrach tatsächlich seine tatenlose Beobachtung der halsbrecherischen Fahrkünste seiner Landsleute um uns die Benutzung der Autobahn zu verbieten. Wir seien ein LKW, die dürfen heute oder immer oder was weiß ich hier nicht fahren. Schön, dann Landstrasse.
Wie schon oft hielten wir Ausschau nach einer Möglichkeit abzubiegen um ein ruhiges Plätzchen zu finden, und alsbald wurden wir fündig. Beim Verlassen der Hauptstrasse warf ich einen Blick in den Rückspiegel um zu sehen, wie eine Art Blaulicht auf dem Armaturenbrett eines sonst zivilen Autos hinter uns eingeschaltet wurde. Wir hielten, die beiden Herren ebenfalls, eine stieg aus und schwenkt die Polizeimütze. Wo wir da denn hinwollten? Nein, da könne man nicht schlafen, viel zu gefährlich... Einwände zwecklos, stattdessen mitkommen. So endete unsere stetige Suche nach brauchbaren Übernachtungsplätzen einige Kilometer weiter bei einer Art Raststätte hinter der dortigen Polizeiwache. Man kann nur mutmaßen was dem Wachhabenden angedroht wurde falls uns dort etwas passiert wäre. Er oder irgendwelche Kollegen kamen etwa stündlich um nach uns zu sehen, eigenhändig die Türen und Klappen an unserem Auto zu kontrollieren oder uns Vorschläge zu machen wohin wir noch umparken könnten, damit er uns besser im Auge hätte. Wen oder was es hier zu fürchten galt erklärte uns niemand.
Am nächsten Tag landteten wir in Ramsar am kaspischen Meer. Einst hatte der Schah hier einen Sommerpalast, heute ist es ein Erholungsort für diejenigen Teheraner, die sich das leisten können. Jetzt kommen Gedanken an Strandpromenaden und nette Restaurants auf... nicht ganz. Man hat im Iran offenbar wenig Schwierigkeiten während einem Ausflug sein Zelt (nicht zum Übernachten - um das Kopftuch abnehmen zu können) am Rand einer dreispurigen Strasse aufzustellen, inmitten von Müll dem man seinen eigenen dann bedenkenlos hinzufügt. Dementsprechend hat man auch andere Ansprüche an einen Badeort. Immerhin gab es ein Cafe, Blockhütten zum mieten und ein Toilettenhaus, vielleicht war das mit dem Zeichen für Campingplatz in unserer Landkarte gemeint .


Auf dem Weg waren wir einer iranischen Truppe furchtloser Radreisender begegnet, die uns telefonisch Unterkunft bei allerhand Freunden und Verwandten in nah und fern besorgen wollten. Es scheiterte letztlich an einer Bedingung die der freundliche Mann am Telefon hatte um uns beherbergen zu können: wir sind nicht verheiratet. Sich mit einer Lüge Zutritt zu dessen Haus zu verschaffen und ihn und uns damit womöglich noch in Schwierigkeiten zu bringen kam nicht in Frage.
Immerhin gab es am Strand von Ramsar Internet, der Zugriff auf z.b. diesen Blog gelang aber nur sporadisch, es erschien stattdessen eine Seite in Farsi, die darüber informiert, dass es sich um Inhalte handelt, die im Iran nicht gesurft werden sollen.
Mangels einer Alternative entschieden wir uns dennoch hier zu bleiben um eine Pause einzulegen und zu überlegen wie es weitergehen sollte.

Vom Verlauf der letzten Wochen waren wir, wenn auch jeder in unterschiedlichem Umfang, nicht begeistert, und vom Iran auch nicht.
Die Orte, die ich als schön oder sehenswert bezeichnet  hätte konnte ich seit über 2000 Km an einer Hand abzählen.
Hier hatte sicher das Wetter eine Rolle gespielt, Mitte März waren wir schlicht zu früh im Jahr unterwegs. Dazu fühlten wir uns, unter anderem auch durch das Wetter, aber auch die speziellen Verhältnisse im Iran in unserem Bewegungsradius stark eingeschränkt. Von körperlicher Bewegung  konnte schon länger keine Rede mehr sein, wir kamen uns vor wie LKW Fahrer - nur langsamer. Selbst hier konnte man kaum 100m am Strand spazieren gehen bevor man entweder vor einem Müllhaufen oder der 4m hohen Wellblechwand des Frauenstrands kehrtmachen mußte.
Zu zweit auf 6 Quadratmetern zu leben und dann noch die Rollos hochzuziehen um sich unbeobachtet zu fühlen war an sich schon gewöhnungsbedürftig, wir waren es seit einem halben Jahr gewohnt draussen zu leben. Die unverholene Neugier mit der wir allerorten ausgiebig und ohne jede Zurückhaltung begutachtet und fotografiert wurden empfanden wir unangenehm, nicht zuletzt da wir nie Fremde ablichten ohne vorher zu fragen. Erst recht nicht hier wo umgekehrt auf solche Dinge besonders geachtet wird.
Unglücklicherweise war durch die unerwartete Verzögerung bei der Ausstellung der Visa aufgetreten, was wir immer hatten vermeiden wollen: wir waren unter Zeitdruck geraten, womit wir mitsamt unserem Auto nicht gut umgehen konnten oder wollten.
Die Vorstellung jeden Tag stundenlang auf dem Bock zu sitzen und am Ende unserer Reise total entnervt und 10 kg schwerer zu sein kam uns nicht sehr verlockend vor, hatten wir doch in den letzten Tagen erlebt wie es ist große Strecken unter Termindruck zu fahren.
Es folgten lange Beratungen was zu tun sei und letzlich entschieden wir uns umzukehren. Trotz allem Frust erschien uns das am Ende vernünftiger als auf Gedeih und Verderb an unserer Planung festzuhalten, die sich ja was den Zeitraum der Reise angeht schon als mangelhaft heraugestellt hatte. Die Entscheidung ist uns sicher nicht leicht gefallen, kommt sie doch einem Scheitern zumindest sehr nahe, und ganz kostenlos war sie schliesslich auch nicht. Wir haben uns bestimmt in verschiedener Hinsicht verkalkuliert, uns und unsere Möglichkeiten auch mit diesem Fahrzeug überschätzt; an ein paar anderen Stellen einfach Pech gehabt.
Am Ende hört man auch doch immer mehr auf seinen Bauch als man bei aller Rationalität zugeben will, was vielleicht auch nicht schlecht ist. Hier hat zumindest meiner laut und vernehmlich gesagt laß es sein und nichts wie weg hier.


Welcome to Iran tönt es wo immer man anhält, jeder will ein Schwätzchen halten, unfreundlich waren nur ganz wenige. Meist ist das aber alles an Englisch, viel mehr kommt selten. Es sei denn die Leute schickten ihre Kinder vor, die lernen es scheinbar in der Schule.
Falls es doch zu einer Unterhaltung kam war das  Ergebnis sehr unterschiedlich, von gemeinsamer arischer Abkunft (au weia!) über Heidegger bis Rammstein war alles dabei. Wenn man konkrete Fragen hat lautet die Antwort fast immer ja, kein Problem, egal ob das zutrifft oder nicht. Eine Absage geht den Leuten offenbar nur schlecht über die Lippen, würde aber manchmal viel Zeit sparen.














































 


















 















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